Rechtsruck in Deutschland

In weiten Teilen Europas, aber auch USA und anderen lässt sich eines feststellen - der politische Kurs steuert zunehmend nach rechtsaussen. Parteien am äusseren rechten Rand erhalten steten Aufwind, kassieren vermehrt Zuspruch bei den Wahlen oder stellen bereits bedeutende Teile der Regierung. Hier zeigt sich ein Rechtsruck.

Doch was bedeutet „Rechtsruck“ überhaupt?

Nun, als Rechtsruck wird eine politische Entwicklung bezeichnet, bei welcher rechte Parteien einen Stimmzuwachs verzeichnen. Hinzu kommt ein verstärkter Einfluss von Vertreter:innen rechter und konservativer Ideen innerhalb einer Partei oder Gruppierung.

Haben wir einen Rechtsruck in Deutschland?

Diese Frage lässt sich wohl sehr eindeutig mit ja beantworten.

Verschiedene Erhebungen stellen fest, dass sich die Schere zwischen links und rechts öffnet. Natürlich konnten sich auch gewisse „linke Ideen“ in den vergangenen Jahren durchsetzen - dies zeigt sich im Beispiel der Ehe für alle. So ist unsere Gesellschaft in bestimmten Bereichen offener und somit solidarischer geworden.

Dennoch zeigen sich vermehrt Zustimmungen zu rechten Werten in weiten Teilen der Bevölkerung. Es lässt sich also beobachten, dass sich die Schere in beide Richtungen öffnet. Von einer vermehrt linken Gesellschaft kann man jedoch nicht reden. Im Verhältnis öffnet sich die Schere in Richtung rechts deutlich mehr als nach links.

Woher kommt der Rechtsruck und warum wählen immer mehr Rechtsaussen?

Dies hat ganz unterschiedliche Ursachen und ist leider nicht mit zwei Sätzen gänzlich abzuhandeln. Eine grobe Übersicht möchte ich dennoch geben. Folgende vier Punkte betrachte ich als die Hauptgründe, weshalb Menschen sich zunehmend rechten Positionen zuwenden.

  • Das Narrativ des problematischen Ausländers

Wir dürfen uns nichts vormachen. Die Schuld auf ausländische Mitbürger:innen zu schieben hat schon vorher gut funktioniert, denn nach wie vor ist Rassismus sehr vielschichtig und in unserer Gesellschaft tief verwurzelt und wird mit der seit 2015 andauernden Flüchtlingskrise nachhaltig weiter befeuert. Somit ist es einfach dieses Feindbild aufzubauen und zu erhalten. Die Debatte über aktuelle Probleme wird immer wieder auf die der Herkunft und Nationalität verschoben. So haben wir beispielsweise enormen Verbesserungsbedarf bei der Aufklärung von Sexualstraftaten und dem Umgang mit Tätern. Anstelle hier allgemein gültige Lösungen anzustreben und auszuarbeiten, wird die Debatte auf kriminelle Migrant:innen und deren mögliche Abschiebung verlagert. Ähnliches bei der Lage unseres Arbeitsmarktes. Statt lösungsorientiert für die breite Gesellschaft zu arbeiten, wird über die vermeintlich problematischen Migrant:innen, welche unsere Arbeitsplätze wegnehmen, gesprochen.

Dies lässt sich auf viele weitere Beispiele anwenden, sei es Wohnraum oder Sozialhilfeleistungen. Dies ändert jedoch nichts daran, dass wir die Herausforderungen der heutigen Zeit nicht überwinden können, wenn wir die Schuld immer wieder auf Migrant:innen abwälzen, anstatt das Grosse und Ganze zu betrachten.

  • Wirtschaftliche Unsicherheiten

Wirtschaftlich fühlt sich die Mittelschicht bedroht. Viele Menschen erleben einen finanziellen Abstieg und damit verbundene Zukunftsängste. Die Unterschicht wächst und die Kluft zwischen Arm und Reich wird breiter und immer schwieriger zu überwinden. So ist es kein Wunder, dass sich viele Bürger:innen wirtschaftlich abgehängt fühlen und politische Lösungen fordern, welche ihnen aktuell nicht in ausreichendem Masse geboten werden.

  • Vertrauensverlust in die regierende Politik

Leider fühlen sich viele Menschen in der Politik der letzten Jahre nicht mehr ausreichend repräsentiert. Die Politik scheint zunehmend nicht mehr volksnah zu sein. Das Vertrauen, die mitunter oben genannten Probleme zu lösen und mit den derzeit allgegenwärtigen Krisen gut umzugehen, schwindet.

  • Meinungspolitik

Obige Punkte werden von rechter Seite gerne genutzt, um ein Feindbild zu erzeugen und damit ein „wir gegen die“ Gefühl, in dem sich manche Personengruppen aufgehoben fühlen.

Dieses gemeinschaftliche „wir gegen die“ wird über lange Zeiträume zunehmend unterfüttert. So wird das allseits beliebte „man darf ja gar nichts mehr sagen ohne als rechts abgestempelt zu werden“ genutzt, um gegen die vermeintliche linksradikale „Meinungspolitik“ oder die „grüne Verbotsdiktatur“ zu wettern. Dies schafft eine Spaltung der Gesellschaft. Während man sich anfänglich gemässigt zeigt, werden die Aussagen zunehmend radikaler und nehmen so die Wähler:innen mit nach rechts.

Was hat die AfD damit zu tun?

Aktuell befeuert in Deutschland in erster Linie die Partei AfD den politischen Diskurs und verschiebt damit das Overton Fenster stetig nach rechts.

Die Strategie ist dabei möglichst extreme Ansichten zu formulieren, wodurch weniger extreme Meinungen weniger radikal erscheinen. So werden Letztere eher angenommen und von der politischen Mitte akzeptiert.

Zusätzlich springen gemässigtere Parteien auf diesen Zug auf. In Folge des steigenden Aufschwungs rechtsoffener Parteien, werden die Themen weitläufig in die eigene Politik anderer Parteien übernommen und dabei weniger radikal umgesetzt. So werden die Themen in die Mitte der Gesellschaft getragen und weiter normalisiert. Dies endet in einer wachsenden politischen Werteverschiebung nach rechts.

Bestes Beispiel hierfür ist die Aussage „wir müssen endlich im grossen Stil abschieben“ von keinem geringeren als dem amtierenden Bundeskanzler Olaf Scholz - wohlgemerkt ein Sozialdemokrat. Auf diesem Wege wird versucht Stimmen zurück zu gewinnen, indem Positionen von rechtsaussen übernommen werden.

Diese Diskursverschiebung bildet am Ende den politischen Rechtsruck ab und spielt Parteien wie der AfD in die Karten. Ihre Positionen werden dabei immer alltagstauglicher.

Was ist das Overton Fenster?

Das Overton Fenster ist ein gedankliches Konstrukt um die Funktion einer Werteverschiebung zu erfassen und darzustellen.

Dabei wird der Ist-Zustand als die Normmitte benannt und Populär als der Rand dessen, was gesellschaftlich akzeptiert ist.

Alles was ausserhalb dieses Fensters liegt ist in der breiten Masse der Gesellschaft erstmal nicht relevant und stösst auf mehr oder weniger grosse Ablehnung. Selbst sinnvolle Ansichten können zeitweise schwierig in der Umsetzung werden, wenn diese sich ausserhalb dieses Rahmens befinden.

Durch die wiederholte Formulierung extremer Ansichten, wirken vorher nicht akzeptierte, aber weniger extreme, Positionen plötzlich weniger extrem und werden eher akzeptiert. Durch die zuvor beschriebene Änderung des Diskurses wird von rechter Seite genau diese Verschiebung des Fensters immer wieder erneut  angestrebt und umgesetzt.

Woher kommt das Gefühl des Linksrucks?

Wiederholt ist von der „Linken Propaganda“, der gefährlichen Wokeness und ähnlichem zu lesen. Doch woher kommt das, wenn wir uns doch in einem so deutlichen Rechtsruck befinden?

Dies hat in erster Linie zwei Gründe:

Ja, wir leben in einer Gesellschaft, welche in weiten Teilen offener wird. Individuelle Lebensentwürfe werden dadurch mehr gelebt. Leider steigt zeitgleich auch die Diskriminierung von Minderheiten und marginalisierten Personengruppen. In der heutigen Zeit haben diese jedoch eine Stimme bekommen und diese wird auch von nicht Betroffenen in Teilen unterstützt. Damit haben Betroffene erstmals die Möglichkeit sich zu wehren und mitzuteilen was ok ist und was nicht. Dies ist eine wichtige und sehr positive Entwicklung und ich denke, dem würden auch eher wenige widersprechen.

Als zweites kommt nun jedoch hinzu, dass diese Themen künstlich oben gehalten werden - und zwar von rechter Seite. Niemand redet so viel über Gendern, Wokeness und andere linke Themen wie rechte Parteien und rechtsextreme Organisationen. Sie pushen Randthemen immer weiter und vermitteln so den Eindruck, sie wären allgegenwärtig. Dies ist eine weitere Masche rechter Polemik und hilft den Rechtsruck voran zu treiben.

Was können wir tun?

Es scheint überflüssig zu erwähnen, dass die Parteien am rechten Rand für zuvor genannte Probleme keinerlei Lösungen bieten. Der Vollständigkeit halber sei dies hiermit trotzdem getan.

Wichtig ist zu sagen, dass wir die Zustimmung einer in Teilen als rechtsextrem gesicherten Partei nicht mit reiner Unzufriedenheit und Besorgnis begründen dürfen. Dies wäre an dieser Stelle viel zu einfach und fehl am Platz. Die tiefe Verankerung rassistischen Gedankenguts in unserer Gesellschaft macht diese Form des Populismuses überhaupt erst möglich. Der Rechtsruck passiert nicht von alleine. Dahinter stecken Akteure, welche mit langfristigem Interesse die Verschiebung des Diskurses ausführen und in unserer Bevölkerung fruchtbaren Boden vorfinden. Weder dürfen wir den Fehler begehen alle Wähler:innen als reine Protestwähler abzutun und ihre Ansichten nicht ernst zu nehmen. Noch sollten wir pauschal alle über einen Kamm scheren und als Neo-Nazis abstempeln. Beides wird dem Thema in seiner Vielschichtigkeit nicht gerecht.

Das Ziel muss eine erneute Änderung des Diskurses sein. Eine erneute Denormalisierung rechtsextremer Positionen kann nur stattfinden, durch ebenso kontinuierliche und beharrliche Gegenarbeit.

Wir als linke Alternative müssen selbst Angebote machen, welche echte Lösungen darstellen und Menschen somit abholen können.

Das bedeutet standhalten in der Politik und in der breiten Masse der Bevölker

Zurück
Zurück

Links – Mitte – Rechts? Eine Begriffsklärung

Weiter
Weiter

Aller Anfang